Nichtwohngebäude sind häufig durch große solare Lasten (Geometrie, Glasflächenanteil) sowie durch hohe innere Lasten (Nutzungsintensität, technische Ausstattung) gekennzeichnet. Im Unterschied zu typischen Wohngebäuden verschiebt sich der Schwerpunkt damit häufig vom Heizen zum Kühlen: Die Lüftung und Klimatisierung rückt in den Mittelpunkt der Konditionierung. Der Einsatz von Klimaanlagen ist in der Regel mit hohen Investitions- und Betriebskosten verbunden. Ein energetisches Optimieren des Betriebs von Bestandsanlagen kann häufig erhebliche Einsparpotentiale erschließen.
Lufthygiene und Energieeffizienz
Abluft- und Umluft-Systeme in Nichtwohngebäuden
Mittwoch, 19.07.2023
Klimaanlagen können durch das Verringern von Schadstofflasten Luftqualität gewährleisten und durch das Beeinflussen der Temperatur und der Feuchte die thermische Behaglichkeit sichern. Zu einem möglichst frühen Zeitpunkt der Planung sollten deshalb grundsätzliche Entscheidungen, wie der benötigte Funktionsumfang der raumlufttechnischen (RLT) Anlage sowie die Wahl eines Abluft- oder eines Umluft-Systems, getroffen werden. Insbesondere der letzte Aspekt ist mit dem Bekämpfen der Corona-Pandemie und den Anstrengungen für den Klimaschutz in den Fokus geraten.
Systemübersicht und Luftarten
Abbildung 1 verdeutlicht die Einteilung der Lufttechnik. Es wird zwischen Prozesslufttechnik (Luft wird zur Durchführung von technischen Prozessen benötigt) und Raumlufttechnik (Lüftung und Klimatisierung von Gebäuden) unterschieden. Bei den RLT-Anlagen, bei denen der Lufttransport mit Ventilatoren (maschinell) erfolgt, wird zwischen Anlagen mit Lüftungsfunktion (Luftaustausch mit der Umgebung: Abluft-Systeme) oder Anlagen ohne Lüftungsfunktion (Luftumwälzung im Gebäude: Umluft-Systeme) differenziert.
Im Zusammenhang mit der Übersicht der Lüftungstechnik ist auch die Definition der Luftarten maßgeblich (Abbildung 2). Im Kontext mit der Fragestellung nach Abluft- oder Umluft-System sind dabei insbesondere die folgenden Definitionen nach DIN EN 16798-3 [3] zu beachten.
- Abluft: Luftvolumenstrom, der den zu lüftenden Raum verlässt.
- Umluft: Abluftvolumenstrom, der der RLT-Anlage wieder zugeführt und als Zuluft wiederverwertet wird.
- Sekundärluft: Luftvolumenstrom, der einem zu lüftenden Raum entnommen und nach einer Luftbehandlung demselben Raum wieder zugeführt wird.
Lüftungskonzept
Ein „Lüftungskonzept“ ist unter Beteiligung der Fachplaner, des Bauherren und der Nutzer aufzustellen und beschreibt raumweise, durch welche Maßnahmen während der Nutzung ausreichend hygienische Innenluftverhältnisse im Raum gewährleistet werden können. Es listet alle für das Konzept relevanten Planungsdaten, Annahmen, Randbedingungen sowie „Durchführungshinweise“ auf. Damit dient es dem Festlegen und Dokumentieren der geplanten Lüftung und wendet sich primär an die (späteren) Raumnutzer. Für weitere Darstellungen wird beispielhaft auf die Empfehlungen des „Arbeitskreises Lüftung“ am Umweltbundesamt für Bildungseinrichtungen verwiesen (UBA Lüftungskonzeption [7]), die hier kurz zusammengefasst werden sollen.
Ein solches Lüftungskonzept beinhaltet für jeden Raum
- die Anforderung an die Innenraumlufthygiene, insbesondere die CO2-Konzentration,
- die angesetzten Randbedingungen, zum Beispiel Nutzungsprofil und Klima,
- die Lüftungsart, wie Fensterlüftung, hybride Lüftung, maschinelle Lüftung, und
- die erforderlichen lüftungstechnischen Maßnahmen, beispielsweise Fensterstellung und Öffnungsweiten oder Regelung einer Lüftungsanlage,
um für das vorgegebene Nutzungsprofil ausreichend hygienische Raumluftverhältnisse zu gewährleisten. Das Lüftungskonzept wird während der Planungsphase unter Einbeziehen aller Beteiligten und Betroffenen und unter Berücksichtigung der relevanten, die Lüftung beeinflussenden Aspekte (Sicherheit und Unfallverhütung, Energiekonzept, Akustik und Schallschutz, Brandschutz, Raumnutzung) erstellt. Bei Planungsänderungen ist das Lüftungskonzept nachzuführen.
Für das spätere Anwenden in der praktischen Nutzung des Raums soll das Lüftungskonzept
- alle Angaben enthalten, die zu einer ausreichenden Be- und Entlüftung führen und die erforderlich sind, um diese Maßnahmen nachvollziehbar prüfen zu können (auch im Sinne einer Erfolgskontrolle/eines Monitorings).
- den Nutzern ausreichende Hinweise und Beschreibungen zur tatsächlichen praktischen Umsetzung des Konzepts geben, zum Beispiel gegebenenfalls erforderliche Lüftungsintervalle bei Fensterlüftung oder Regelung einer Lüftungsanlage.
Gesetzliche/normative Vorgaben
Steht die Frage im Raum, ob ein Umluft- oder Abluft-System zum Einsatz kommen soll, ist zunächst zu prüfen, ob bezüglich des Einsatzes eines Umluft-Systems gesetzliche oder normative Vorgaben zu beachten sind.
Gesamtenergieeffizienzrichtlinie EPBD Die aktuelle EPBD 2018 [5] enthält keine detaillierten Anforderungen an die konkrete Planung von RLT-Anlagen. Es wird lediglich grundsätzlich festgestellt, dass bei der Festlegung von nationalen Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden mögliche negative Auswirkungen (wie eine unzureichende Belüftung) zu vermeiden sind.
Gebäudeenergiegesetz GEG Nach aktuellem GEG 2023 [6] müssen RLT-Anlagen mit Zu- und Abluft-Funktion, die für einen Luftvolumenstrom von mindestens 4.000 m3/h ausgelegt sind, mit einer Einrichtung zur Wärmerückgewinnung (mindestens Klasse H3 nach DIN EN 13053 [2]) ausgerüstet werden. Ausnahmen sind lediglich zulässig, wenn die rückgewonnene Wärme nicht genutzt werden kann oder wenn die Abluft- und Zuluft-Systeme vollständig räumlich getrennt sind.
Arbeitsstättenrichtlinien ASR Nach ASR A3.6 [1] darf Abluft aus Räumen mit Lasten (Stoff-, Feuchte-, Wärmelasten) nur als Umluft genutzt werden, wenn Gesundheitsgefahren und Belästigungen ausgeschlossen werden können. Eine Wärmerückgewinnung (WRG) wird in der ASR A3.6 [1] nicht gefordert.
DIN EN 13053 Nach DIN EN 13053 [2] sollten RLT-Anlagen mit Zu- und Abluft sowie mit Heizfunktion mit einer WRG ausgestattet werden, die über eine thermische Bypass-Vorrichtung verfügen muss. Für die Bewertung der WRG werden Klassen für den energetischen Wirkungsgrad bei balancierter Fahrweise (Abluftmassestrom = Zuluftmassestrom) definiert.
VDI 6022 In VDI 6022-1 [8] wird gefordert, dass Umluft mit Anteilen von Abluft mit hohem oder sehr hohem Verunreinigungsgrad nur mit Abluftreinigungsverfahren, wie Luftwäscher oder Elektrofilter, genutzt werden darf, um eine der Gesundheit zuträgliche Zuluft zu erzeugen. In speziellen Fällen (wie bei Toilettenabluft) ist das Verwenden der Abluft als Umluft nicht zulässig.
Auch Zuluft muss nach VDI 6022-1 [8] zum Sicherstellen hygienischer Verhältnisse und zum Schutz des Lüftungsgeräts gefiltert werden. Die geforderten Filterklassen nach DIN EN ISO 16890 [4] ergeben sich dabei in Abhängigkeit von der Außenluftqualität.
Technische Aspekte
Unmittelbar im Zusammenhang mit der Fragestellung, ob ein Abluft- oder ein Umluft-System zum Einsatz kommen soll, steht die Überlegung, wie ein energieeffizienter Betrieb der RLT-Anlage realisiert werden kann. Während bei Umluft-Systemen systemimmanent die Wärme- und Feuchterückgewinnung für den Umluftanteil vollständig und damit mit einer Rückwärmzahl oder Rückfeuchtezahl von 100 Prozent erfolgt, stehen für Abluft-Systeme verschiedene Möglichkeiten für die WRG zur Verfügung (Abbildung 3).
Für die WRG mit Wärmeübertragern werden dafür wiederum Rückwärmzahlen und bei Enthalpie-Wärmeübertragern zusätzlich Rückfeuchtezahlen als Wirkungsgrade der WRG definiert, die jedoch systembedingt wegen der limitierten Größe der Wärmeübertrager unter 100 Prozent liegen. Für Wärmepumpen werden hingegen Leistungszahlen COP („coefficient of power“) und Jahresarbeitszahlen SCOP („seasonal coefficient of performance“) als Verhältnis von Nutzen zu Aufwand definiert.
Wesentliche Unterschiede bestehen zwischen Abluft- und Umluft-Systemen auch hinsichtlich der Realisierung von hygienischen Raumluftverhältnissen. Bei Abluft-Systemen liegt der Fokus auf dem Luftaustausch und damit der Abfuhr von Schadstoffen.
Mit diesem Prinzip können sowohl feste und flüssige Partikel (wie Feinstaub, aber auch – gegebenenfalls virentragende – Aerosolepartikel) als auch gasförmige Luftbestandteile (wie Kohlendioxid, flüchtige organische Komponenten, Gerüche) wirksam abgeführt werden. Unabhängig davon ist es möglich und notwendig, die dem Raum zugeführte Zuluft adäquat, beispielsweise nach den Vorgaben von VDI 6022-1 [8], zu filtern.
Bei Umluft-Systemen können hygienische Raumluftverhältnisse ausschließlich durch Luftfilter erreicht werden. Für unterschiedliche Raumluftbelastungen bedarf es dazu passender Filterkonzepte, zum Beispiel Feinstaub- und Gasfilter.
Eine Sonderrolle nehmen Raumfiltergeräte ein, die im Zuge der Corona-Pandemie eine steigende Marktbedeutung (unter anderem in Schulen) erlangt haben. Dabei handelt es sich im lüftungstechnischen Sinne um Sekundärluftsysteme mit raumweisen Lüftungsgeräten. Gegenüber Umluft-Systemen besteht der Vorteil, dass es nicht zum Übertragen von Schadstoffen und Keimen zwischen unterschiedlichen Räumen kommt. Mit der typischen Ausstattung dieser Geräte mit HEPA- oder alternativ Feinstaubfiltern, aber ohne Gasfilter, ist eine Filterung von festen Feinstaubpartikeln und damit ein Reduzieren der Aerosol-Verbreitung von Keimen (wie SARS-CoV-2-Viren) möglich. Dabei kann keinerlei Abfuhr von gasförmigen Schadstoffen und Gerüchen erreicht werden.
Fazit
Fasst man diese gesetzlichen und normativen Vorgaben sowie die technischen Aspekte zusammen, ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:
- Der Einsatz von Umluft-Systemen ist aus hygienischen (ASR, VDI 6022-1) und energetischen Gründen (GEG) nicht in allen Konstellationen und für alle Gebäudenutzungen zulässig.
- Bei Abluft-Systemen können hygienische Raumluftverhältnisse durch Luftaustausch und Filterung erreicht werden, bei Umluft- und Sekundärluftsystemen ist ausschließlich Luftfilterung möglich.
- Für eine nachhaltige und hygienisch unbedenkliche sowie energetisch effiziente Lüftung sind in vielen Fällen Abluft-Systeme mit WRG gegenüber Umluft-Systemen vorzuziehen.
Prof. Dr.-Ing. Thomas Hartmann Geschäftsführer ITG Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden Forschung und Anwendung GmbH 01219 Dresden hartmann@itg-dresden.de
Literatur
[1] ASR A3.6 Technische Regeln für Arbeitsstätten – Lüftung; Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Januar 2012.
[2] DIN EN 13053:2020-05. Lüftung von Gebäuden – Zentrale raumlufttechnische Geräte – Leistungskenndaten für Geräte, Komponenten und Baueinheiten; Beuth-Verlag, Berlin.
[3] DIN EN 16798-3:2017-11. Energetische Bewertung von Gebäuden – Lüftung von Gebäuden – Teil 3: Lüftung von Nichtwohngebäuden – Leistungsanforderungen an Lüftungs- und Klimaanlagen und Raumkühlsysteme (Module M5-1, M5-4); Beuth-Verlag, Berlin.
[4] DIN EN ISO 16890-1:2017-08. Luftfilter für die allgemeine Raumlufttechnik – Teil 1: Technische Bestimmungen, Anforderungen und Effizienzklassifizierungssystem, basierend auf dem Feinstaubabscheidegrad (ePM); Beuth-Verlag, Berlin.
[5] EPBD 2018 EU-Gebäuderichtlinie, Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Richtlinie 2010/31/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, Änderungen der Richtlinie 2010/31/EU vom 19. Juni 2018.
[6] GEG 2023 Änderung des Gebäudeenergiegesetzes vom 8. August 2020 im Gesetz zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor, Bundesgesetzblatt Jahrgang 2022, Teil I, Nr. 28; Bundesanzeiger-Verlag, Juli 2022, Köln.
[7] UBA Lüftungskonzeption. Anforderungen an Lüftungskonzeptionen in Gebäuden – Teil 1: Bildungseinrichtungen. Empfehlungen des Arbeitskreises Lüftung (AK Lüftung) am Umweltbundesamt, November 2017.
[8] VDI 6022-1:2018-01. Blatt 1, Raumlufttechnik, Raumluftqualität – Hygieneanforderungen an raumlufttechnische Anlagen und Geräte (VDI-Lüftungsregeln); Beuth-Verlag, Berlin.
Sie haben eine Frage zu diesem Artikel? Dann stellen Sie der Redaktion hier Ihre Fachfrage!