Unternehmerwissen

Das neue Lieferkettengesetz

Unternehmerische Verantwortung für Menschenrechte und Umweltstandards

Mittwoch, 08.11.2023

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erlegt Unternehmen umfangreiche neue Gebote zum Schutz von Menschenrechten und ...

Quelle: AdobeStock

... von grundlegenden Umweltstandards in der Lieferkette auf. Verantwortliche müssen sich damit beschäftigen und die Situation im eigenen Unternehmen unter Berücksichtigung der neuen Vorgaben kritisch prüfen. Denn beim Nichteinhalten drohen empfindliche Bußgelder.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) trat am 1. Januar 2023 in Kraft und begründet für verpflichtete Unternehmen dringenden Handlungsbedarf. Um ihrer neuen Verantwortung in der Lieferkette gerecht zu werden, sieht der Gesetzgeber das Einführen erweiterter Compliance-Maßnahmen vor – und diese sind im deutschen Mittelstand bisher nur in Ausnahmefällen vorhanden.

Wer ist betroffen?

Betroffen sind Unternehmen ungeachtet ihrer Rechtsform, wenn sie unternehmerisch tätig sind, mehr als 3.000 Mitarbeiter in Deutschland beschäftigen (ab 2024 mehr als 1.000) und ihre Hauptverwaltung, -niederlassung oder ihren satzungsgemäßen Sitz im Inland haben. Auch Unternehmen, die nicht direkt dem LkSG unterfallen, sollten sich mit den gesetzlichen Anforderungen und dem für seine Kontrolle und Durchsetzung zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auseinandersetzen. Als Teil der Lieferkette verpflichteter Unternehmen sind sie zumindest mittelbar ebenfalls betroffen.

Was ist zu tun?

Die geschützten Rechtspositionen des LkSG sind in § 2 Abs. 1 LkSG definiert. Neben der allgemeinen Bezugnahme auf völkerrechtliche Verträge enthält § 2 Abs. 2 LkSG außerdem einen konkreten Katalog menschenrechtsbezogener Risiken, unter anderem Kinderarbeit, Zwangsarbeit sowie Aspekte des Arbeitsschutzes (wie zum Beispiel offensicht-lich ungenügende Sicherheitsstandards, Fehlen geeigneter Schutzmaßnahmen).

Gemäß § 3 LkSG sind Unternehmen verpflichtet, die gesetzlich definierten Sorgfaltspflichten in ihrer Lieferkette in angemessener Weise zu beachten. Unerlässlich ist dabei die vollständige Integration dieser Sorgfaltspflichten in die Unternehmenspolitik. Dies umfasst verschiedene, aufeinander aufbauende und miteinander verknüpfte Maßnahmen zu Analyse, Management und Prävention/Abwehr relevanter Risiken.

Der Gesetzgeber setzt zur Risikobekämpfung auf einen Dreiklang aus Vermeidung, Prävention und Abhilfe, wobei die Sorgfaltspflichten als dynamische Pflichten zu verstehen sind. Vor allem begründet das LkSG eine Bemühens- und keine Erfolgspflicht, denn der Gesetzgeber verlangt nicht, dass Menschenrechtsverstöße in jedem Fall verhindert werden. Verpflichtete müssen nachweisen, alles dafür getan zu haben, menschenrechtsbezogene Risiken in ihrer Lieferkette zu verhindern. In der Praxis wird damit entscheidend sein, ob verpflichtete Unternehmen nachweisbar alles Erforderliche und Zumutbare getan haben, um eine Gefährdung geschützter Rechtsgüter in der Lieferkette zu vermeiden.

Neben der Pflicht zum Erteilen von Auskünften und dem Mitwirken bei Kontrollen müssen Unternehmen jährlich einen Bericht über die umgesetzten Maßnahmen erstellen und über ein spezielles Webportal an das BAFA übermitteln. Zusätzlich ist dieser Bericht auch über die Website der verpflichteten Unternehmen zu veröffentlichen.

Wo gibt es Unterstützung?

Das BAFA publiziert verschiedene Handreichungen, die betroffenen Unternehmen das Realisieren der gesetzlichen Anforderungen erleichtern sollen. Diese Handreichungen geben eine wichtige Praxisorientierung bei Umsetzung der Sorgfaltspflichten und damit auch Hilfestellung zum Vermeiden intensiverer Kontrollen und Sanktionen. Dennoch stellt sich die Frage, ob die notwendige Risikoanalyse und Umsetzung weiterer Sorgfaltspflichten in Eigenregie oder mithilfe externer Berater durchzuführen sind. Wenngleich Gesetzgeber und auch BAFA primär auf den eigenverantwortlichen Umgang der Unternehmen mit ihren individuellen Lieferkettenrisiken abzielen, können externe Berater das Realisieren der geforderten Verkehrssicherungspflichten unterstützen.

Eine allgemeingültige Lösung, die für alle Unternehmen gleichermaßen passt, kann es dabei nicht geben. Vielmehr sind verpflichtete Unternehmen aufgefordert, ihre individuellen Risiken nach LkSG zu identifizieren und bestmöglich zu beherrschen – jeweils im Kontext ihrer Größe, Branche, Umsatzhöhe, Lieferantenstruktur und ihres Geschäftsmodells.

Fazit und Ausblick

Das LkSG ist zu einem wichtigen Baustein von Risiko-/Compliance-Managementsystemen (RMS) geworden. Er ist mit hohen Haftungsrisiken verbunden. Das Nichtumsetzen der Sorgfaltspflichten kann ein Ordnungswidrigkeitsverfahren mit empfindlichen Geldbußen auslösen – je nach Branche und Geschäftsmodell auch Reputationsschäden verursachen.

Das Einrichten eines RMS allein für das LkSG ist wenig sinnvoll. Im Idealfall sollte konzeptionell auf bereits existierende RMS aufgesetzt werden, die um die neuen Anforderungen ergänzt werden. Im Rahmen der Risikoprävention und Umsetzung von Abhilfemaßnahmen wird außerdem das Lieferantenmanagement großflächig zu überarbeiten und in seinen vertraglichen Vereinbarungen an die neuen Vorgaben anzupassen sein.

Für ein RMS zur Lieferketten-Compliance spielen zum Beispiel auch schon die ISO/IEC 27001 oder die ISO 9001 eine Rolle. Zusätzliche Dynamik bekommt das Thema, weil auch auf europäischer Ebene seit geraumer Zeit Inhalte für eine EU-Lieferkettenrichtlinie („Corporate Sustainability Due Diligence Directive“, CSDDD) diskutiert werden. Der formale Legislativvorschlag der EU-Kommission liegt vor und lässt erwartungsgemäß einen wesentlich erweiterten Anwendungs- und Haftungsbereich für europäische Unternehmen erkennen. Die Verabschiedung als EU-Richtlinie ist für Ende 2023 vorgesehen. Das führt in der Folge auch in Deutschland perspektivisch zu einem Verschärfen des Rechtsrahmens.

Carla Everhardt; Rechtsanwältin | Associate Partner; Rödl GmbH – Rechtsanwaltsgesellschaft, Steuerberatungsgesellschaft; 50678 Köln; carla.everhardt@roedl.com; www.roedl.com

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