Stimmen aus der Branche: Frank Ernst, Hauptgeschäftsführer des Bundesindustrieverbands Technische Gebäudeausrüstung e.V. (BTGA), Bonn, sowie Geschäftsführer des Fachverbands Gebäude-Klima e.V. (FGK) und des Herstellerverbands RLT-Geräte e.V., Ludwigsburg / Gerhard Vonbank, Geschäftsführer, Rhomberg Bau GmbH, Bregenz / Dr. Jan Witt, Geschäftsführer, HEA-Fachgemeinschaft für effiziente Energieanwendung e.V., Berlin.
Drei Fragen – Drei Meinungen
Interviews
Mittwoch, 26.04.2023
1. Diese Ausgabe des „KlimaJournals“ steht unter dem Leitmotiv „Nachhaltigkeit“. Was bedeutet der Begriff für Sie persönlich und für die Aktivitäten Ihrer Organisation? Bitte veranschaulichen Sie das jeweils anhand eines konkreten Beispiels.
Frank Ernst: Eine unserer Kernaufgaben ist, die Energiewende aktiv mitzugestalten – dafür stehen BTGA, FGK und RLT-Herstellerverband ein. Wir unterstützen die Politik und erarbeiten Vorschläge zur technischen Umsetzung von Maßnahmen, die der Energiewende dienen. Das gilt beispielsweise für die Nutzung von Abwärme, die als Abfallprodukt im Gewerbe anfällt. Dafür muss bei der Planung von Bauvorhaben frühzeitig ein Gesamtkonzept erstellt werden.
Ein Beispiel sind neu errichtete Rechenzentren, bei denen rund 40 Prozent der Energie entweder als Abwärme in die Umgebung abgeführt oder sinnvoll eingesetzt werden. Mit ihrer Leistung von 0,5 bis 10 MW erzeugen mittelgroße Rechenzentren – wie von Städten, Gemeinden, Banken oder Versicherungen – rund 200 bis 4.000 kW Abwärme. Auch im Gewerbe, etwa bei produzierenden Unternehmen, fällt teilweise Abwärme in erheblicher Menge an. Sie kann mit Wärmepumpen auf ein höheres Temperaturniveau gebracht und in ein Fernwärmenetz eingespeist werden. Oder sie wird direkt im Nahbereich genutzt, beispielsweise für Wohnquartiere.
Gerhard Vonbank: Wir als Unternehmen – und übrigens auch ich persönlich – wollen, dass unser Handeln und vor allem die Ergebnisse unseres Handelns umfassend nachhaltig sind, und zwar im Sinne sozialer, umwelttechnischer und wirtschaftlicher Sinnhaftigkeit. Nachhaltigkeit verstehen wir dabei immer als das Bestreben, die Bedürfnisse der heutigen Generation zu befriedigen, ohne die Chancen der folgenden Generationen zu beschneiden, ihre Bedürfnisse ebenfalls zu befriedigen. Diese Nachhaltigkeit findet sich im Unternehmen beispielsweise bei der ganzheitlichen Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden und dem verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen.
Bei Rhomberg Bau gibt es allerdings nicht die eine Maßnahme der „Corporate Social Responsibility“ (CSR, gesellschaftliche Unternehmensverantwortung). Wir haben auch kein „Bündel an Maßnahmen“, um Nachhaltigkeit in unserem Geschäft sicherzustellen. Unser Anspruch geht weit darüber hinaus: Wir integrieren das Thema in jeden Prozess, jede Maßnahme und jede Tätigkeit in jedem unserer Geschäftsfelder. Genau genommen ist also das gesamte Unternehmen unser CSR-Projekt.
Dr. Jan Witt: Persönlich verstehe ich unter dem Begriff „Nachhaltigkeit“ die ausgeglichene Bilanz zwischen Ressourcen und Nutzung. Das gelingt mit einer gelebten Kreislaufwirtschaft. Aber auch die „Human Resources“ sollten nachhaltig sein, denn Kreativität und Leistung gehen einher mit Motivation und Wohlbefinden.
Die HEA befasst sich seit ihrer Gründung vor 70 Jahren mit den Themenfeldern effiziente Energieanwendung. In den 1970er-Jahren wurden erste Energiespartipps für Haushaltskunden veröffentlicht. Dabei lassen wir die Stromerzeugung nicht außer Acht: Seit mehr als zehn Jahren untersuchen Forschungsnehmer im Auftrag der HEA jährlich die Treibhausgas-Bilanz einer durchschnittlichen Kilowattstunde im deutschen Strommix. Damit haben wir auch die positive Wahrnehmung der Wärmepumpe in Politik und Förderung unterstützt. Das Thema „nachhaltiges Bauen“ verfolgen wir verstärkt. Seit dem letzten Jahr bereiten wir unsere Mitgliedsunternehmen – insbesondere aus dem Bereich Wohnungslüftung – auf zukünftige Anforderungen der Technischen Gebäudeausrüstung im Zusammenhang mit Umwelt-Produktdeklarationen vor, die eine praktikable Ökobilanz von Gebäuden ermöglicht. Dabei arbeiten wir eng mit Durchführern und Zertifizierern zusammen.
2. Ihre Institution richtet sich an unterschiedliche Marktakteure. Welche Vorteile und Möglichkeiten verbinden Sie mit dem interdisziplinären Netzwerk-Gedanken, insbesondere auch für die Bereiche der Kälte-, Klima- und Lüftungstechnik?
Frank Ernst: Unsere Mitglieder und Partner sind ganz unterschiedliche Marktteilnehmer. Dazu gehören unter anderem Hersteller, Ingenieurbüros, Anlagenbauer und Hochschulen. Durch unsere Arbeit stehen wir in intensivem Kontakt mit der Politik sowie mit Investoren, Kommunen, Städten und Betreibern. Durch diese Nähe können wir zielgerichtet Wissen austauschen. Alle zwei Jahre führen BTGA, FGK und RLT-Herstellerverband außerdem das interdisziplinäre TGA-Wirtschaftsforum durch. Es ermöglicht an zwei Tagen einen intensiven, umfassenden und zielgerichteten Dialog zwischen Technischer Gebäudeausrüstung, Architektinnen und Architekten, Projektmanagement, Bauindustrie und Immobilienwirtschaft.
Gerhard Vonbank: Wir setzen bei all unseren Bauprojekten auf einen frühzeitigen, umfassenden Planungsprozess. Denn: Je früher alle Beteiligten gemeinsam an einem Tisch sitzen, desto schneller, effizienter und erfolgreicher wird ein Bauprojekt verlaufen. Vor allem, wenn dieser Tisch ein digitaler ist und somit alle jederzeit auf dem gleichen Stand planen und kommunizieren können. Damit sparen wir Schnittstellen, Fehlerquellen und Abstimmungsaufwand.
Dr. Jan Witt: Der Erfolg einer Marktpartnerschaft basiert auf der Bündelung der Kräfte und der Kompetenzen. Die HEA bündelt als Marktpartnerverbund der Energiewirtschaft mit Industrie, Handwerk und Großhandel die Zusammenarbeit und Marktkommunikation in der Branche. Im Ergebnis profitieren Kunden von fachlich-neutralen Informationen und Serviceleistungen. Ob gesunde Innenraumluft, Wärmerückgewinnung oder Bautenschutz: Insbesondere die Lüftungstechnik berührt immer mehr interdisziplinäre Aufgabenstellungen im Gebäudesektor. Hier muss es selbstverständlich sein, dass die unterschiedlichen Gewerke und Marktpartner zielorientiert an einem Strang ziehen.
3. Der Aufbau eines so genannten „Business-Ökosystems“ kann eine Möglichkeit für Planende und Ausführende sein, sich nachhaltig am Markt zu positionieren: Ein Verbund von Unternehmen, die auf eine gemeinsame Wertschöpfung ausgerichtet sind. Dabei übersteigt die Leistung des gesamten Systems aus Sicht der Kunden die Summe der Einzelbeiträge der Beteiligten. Haben Sie einen Tipp für diesbezüglich Interessierte und wie können Sie sie konkret unterstützen?
Frank Ernst: Aus unserer Sicht müssen wichtige Grundvoraussetzungen erfüllt sein, um in Gesamtlösungen denken zu können, bei denen beispielsweise innerhalb eines Quartiers gewerbliche Abwärme für Wohngebäude, Schwimmhallen oder Gewerbegebäude genutzt wird. Zu den Voraussetzungen gehören Technologieoffenheit, politische Rahmenbedingungen und städtebauliche Voraussetzungen. Darüber hinaus sind vereinfachte Steuermodelle notwendig, da bei Nutzung von Abwärme in anderen Gebäuden der Emittent zum Versorger wird.
Gerhard Vonbank: Zunächst sind wir als Rhomberg Bau immer auf der Suche nach Partnerschaften, um die Projekte und damit Lebenswelten unserer Kund:innen und Partner:innen zukünftig noch attraktiver zu gestalten. Dabei sind alle Disziplinen und alle Ideen willkommen, gerne natürlich auch aus auf den ersten Blick branchenfremden Disziplinen.
Zudem sind wir im Unternehmensverbund selbst dran, die gesamte Wertschöpfungskette abzudecken – von der Ressourcengewinnung aus Abbau und verstärkt Recycling und „Urban Mining“ über Entwicklung, Bau, Nutzung, Sanierung, Umnutzung bis hin zum Rückbau. Neu hinzugekommen sind dafür jüngst die Themen Finanzierung („Rhomberg ventures“) und Energieberatung („Rhomberg Energie“). Dabei konzentrieren wir uns verstärkt auf Produkte oder besser: Lösungen. Denn danach suchen unsere Kund:innen. Mittelfristig werden wir gemeinsam mit unseren Partner:innen so zu einem „One-Stop-Shop“ und können jede Anfrage im Baubereich rasch und kompetent bedienen.
Dr. Jan Witt: Die HEA engagiert sich im Bereich der regional ausgerichteten Energiegemeinschaften zwischen Energieunternehmen und deren Marktpartnern aus dem Handwerk, die im übertragenen Sinne auch als „Business-Ökosystem“ gesehen werden können. Bei der Vermarktung von Dienstleistungen rund um die effiziente Energieanwendung kommt dieser Kooperation für Investitionen in energieeffiziente Maßnahmen und Technologien eine herausragende Bedeutung zu. Hier sehen wir großes Potential – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der kommunalen Wärmeplanung.
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