Basiswissen

Drei Fragen – Drei Meinungen

Mittwoch, 22.05.2024

Andreas Miltz: Das serielle Sanieren lebt von einer hohen Standardisierung im gesamten Planungs- und Bauprozess. Ein gutes Beispiel ist unsere Mieterkommunikation: In jedem großen Projekt fallen ähnliche Herausforderungen mit den Betroffenen an. Daher haben wir ein standardisiertes Mieterportal entwickelt, über das wir sämtliche Interaktion vor, während und nach der Baumaßnahme kanalisieren und strukturiert bearbeiten.

Andererseits gibt es Konstellationen, in denen starre Standards für das serielle Sanieren herausfordernd sein können: Bauen im Bestand muss im Vergleich zum Neubau immer die Situation vor Ort berücksichtigen und darauf aufbauen. Umso schwerer ist es, die vielen Normen und Prozesse individuell sachgerecht zu implementieren und gleichzeitig effizient und wirtschaftlich für den Auftraggeber und den Mieter zu arbeiten. So ist für jedes Projekt zu Beginn die häufig reichlich zeitintensive Planbeschaffung beim lokalen Bauamt erforderlich.

„Serielles Sanieren lebt von hoher Standardisierung“, Andreas Miltz, Geschäftsführer, Renowate GmbH, Düsseldorf.
Quelle: Renowate
„Serielles Sanieren lebt von hoher Standardisierung“, Andreas Miltz, Geschäftsführer, Renowate GmbH, Düsseldorf.

Diana Anastasija Radke: Dort, wo sie helfen und nicht verhindern. Das klingt vielleicht etwas platt und polemisch, aber lassen Sie es mich erläutern. Im Bereich des Neubaus zum Beispiel haben Standards geholfen! Man greift in eine Schublade und hat eine Lösung – wunderbar. Sie können auch vorantreiben – die Transformation unseres Sektors zum Beispiel. Man denke nur an das Thema „EU-Taxonomie“ und „ESG-Kriterien“ („Environmental, Social, Corporate Governance“: Umwelt-, Sozial- und Regierungs-/Amts-/Unternehmensführung).

Standardisierung in Sachen Nachhaltigkeit bei Neubauten ist genial! Aber wie sieht es da im Bereich des Bestands aus? Ergibt es Sinn, Bestandsgebäude genauso zu behandeln wie Neubauten? Was ist mit dem Berücksichtigen der „grauen Energie“? Geht es hier tatsächlich um echte Nachhaltigkeit oder nur um das Freiprüfen durch ein Zertifikat? Standards sind gut – jedoch nicht, wenn gleiche Standards für unterschiedliche Produkte und Objektarten gelten.

3. Wo sehen Sie den größten Bedarf an „Standardisierung“ in Ihrem Markt/in Ihrer Branche? Warum und wie sähe Ihre Wunsch-Lösung aus? Bitte mit kurzer Erläuterung.

Dr. Christine Lemaitre: Wie in Frage 1 beschrieben, konnten wir mit einem Gutachten belegen, dass das nachhaltige Bauen in Deutschland aufgrund von Überregulierung gebremst wird. Aus diesem Grund fordern wir das Etablieren eines einheitlichen deutschen Nachhaltigkeitsstandards, damit alle in die gleiche Richtung arbeiten. Ein gemeinsames Verständnis würde neben mehr Klarheit in der Planung und Umsetzung nachhaltiger Gebäude für mehr Investitionssicherheit sorgen.

Daher haben wir uns offiziell bereit erklärt, das bewährte DGNB-Zertifizierungssystem für das Erarbeiten eines europakonformen und transparenten Systems zur Verfügung zu stellen. Zeit, alles noch mal neu zu entwickeln, haben wir nicht. Mit mehr als 10.000 Auszeichnungen und einem intensiven, partizipativen Weiterentwicklungsprozess bildet das DGNB-System unserer Meinung nach zu Recht die richtige Grundlage für ein gemeinsames Regelwerk.

Andreas Miltz: In der deutschen Baubranche ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein einheitlicher Standard hinsichtlich der Landesbauordnungen definiert. Dies erschwert die Bedingungen für die standardisierte Umsetzung und Skalierung des seriellen energetischen Sanierens. Beispiele für erforderliche bundeseinheitliche Regelungen wären aus unserer Sicht:

  • eine grundsätzliche Genehmigungsfreiheit für vorgestellte Fassadenelemente bis zu 40 cm Stärke;
  • eine grundsätzliche Genehmigungsfreiheit für die Komplett-Sanierung von Dächern inklusive Dachstuhl mit Baujahren vor 1980.

Den gleichen Bedarf für das Vereinheitlichen von regionalen Bauordnungen gibt es übrigens auch in Österreich und in der Schweiz.

Diana Anastasija Radke: Das größte Potential für Standardisierung liegt im Bereich der Kreislaufwirtschaft. Das Wiedereinbringen bereits benutzter Materialien und Einbauten in den Kreislauf bedarf eines standardisierten Vorgehens. Re-use, nicht recycle, ist der Schlüssel zu einer rohstoffschonenden Bauwirtschaft. Dafür muss ein standardisierter Prozess für die Re-Zertifizierung von Baustoffen aufgebaut werden, sodass das oft gehörte „Ja, aber wer garantiert mir denn die Qualität der Re-use Materialien?“ immer eine Antwort findet.

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