Ohne Lüftung geht es nicht!

Gesundheit und Zufriedenheit für Raumnutzer

Lüftungs- und Klimaanlagen sind in Bauwerken nicht mehr wegzudenken. Das ist keine neue Erkenntnis. Aber durch die Pandemie-Erfahrungen der vergangenen beiden Jahre hat sich dies von den Gebäudeplanern vermehrt auch auf die Betreiber und Nutzer übertragen. Das ist gut und wichtig, denn Luft ist ein Lebensmittel. Es erfordert deshalb unsere volle Aufmerksamkeit.

Die Aufgaben einer Raumlufttechnischen-Anlage (RLT) gestalten sich vielfältig. Als erstes sind das Heizen und Kühlen eines Gebäudes zu nennen. Aktuell laufen hier Bestrebungen zum Umsetzen der Anforderungen aus dem aktuellen Entwurf zur EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden EPBD (Energy performance of buildings directive). Konkret geht es dabei um das Einführen eines Stundenverfahrens zur energetischen Bilanzierung. Das könnte durch das Anpassen der nationalen Normenreihe DIN V 18599 oder das Angleichen und Übernehmen der europäischen Norm EN 16798 in die Vorgaben in Deutschland erfolgen.

Das Sicherstellen der Raumluftqualität ist ein weiterer wichtiger Punkt, der über eine RLT-Anlage realisiert werden muss. So hat das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) den „Leitfaden Nachhaltiges Bauen“ und das „Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB)“ entwickelt. Hinsichtlich der Innenraumlufthygiene werden im Kriterium 3.1.3 insbesondere Verunreinigungen der Innenraumluft durch Schadstoffe aus Bauprodukten (flüchtige organische Verbindungen (VOC – Volatile Organic Compounds), Formaldehyd) und durch Emissionen der Raumnutzer (Kohlendioxid) betrachtet. Festlegungen der notwendigen Außenluftvolumenströme finden sich zum Beispiel in der Norm DIN EN 16798-1, „Energetische Bewertung von Gebäuden – Lüftung von Gebäuden – Teil 1: Eingangsparameter für das Innenraumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden bezüglich Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik-Modul M1-6“.

Die Bewertung der Kohlendioxidkonzentration orientiert sich auch an der Arbeitsstättenrichtlinie ASR A3.6 „Lüftung“ sowie an der Maßgabe des Ausschusses für Innenraumrichtwerte (AIR), wonach eine CO!SUB(2)SUB!-Konzentration von 1.000 ppm als „hygienisch unbedenklich“ gilt. Umfangreiche Untersuchungen dazu haben gezeigt, dass das Einhalten für ausschließlich über Fenster gelüftete Räume mit hoher Personenanzahl mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist [1].

So zeigt Abbildung 1 für ein ausgewähltes Fenster-Lüftungskonzept den Tagesverlauf der CO!SUB(2)SUB!-Konzentration in einem voll besetzten Klassenraum im Winter (0 °C Außentemperatur). Es ist zu erkennen, dass bei einer Lüftung ausschließlich in den Pausen die CO!SUB(2)SUB!-Konzentration am Ende der Unterrichtszeit immer mehr als 2.000 ppm beträgt. Eine zusätzliche Fensteröffnung während des Unterrichts würde zu erheblichen Beschwerden hinsichtlich der thermischen Behaglichkeit und des Zugluftrisikos führen. Im vergangenen Winterhalbjahr konnte dieser Sachverhalt nur zu häufig beobachtet werden.

Lüftungseffektivität und Behaglichkeit

An Lösungsansätzen zum Sicherstellen einer ausreichend guten Raumluftqualität mangelt es nicht. Je nach Anforderung stehen zentrale oder dezentrale Lüftungsanlagen mit unterschiedlichen Strömungsformen zur Verfügung. Eine Marktübersicht für Einzelraumlüftungsgeräte, die sich für den Einsatz in Schulen eignen, bietet beispielsweise der Fachverband für Gebäude-Klima e.V. (FGK).

Von der Universität StuttgartInstitut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung – wurde aktuell ein Planungsleitfaden zur maschinellen Luftführung in Klassenräumen fertiggestellt [2]. Das Forschungsvorhaben „OLiS“ untersuchte eine große Anzahl unterschiedlicher Konzepte – sowohl theoretisch als auch experimentell. Im Ergebnis stehen Lösungsvorschläge für eine optimale Lüftungseffektivität und Behaglichkeit bei gleichzeitig niedrigem Energieaufwand zur Verfügung.

Es gibt noch einen anderen Punkt, der aktuell wieder in das Bewusstsein vordringt, die Raumluftfeuchte. Sie hat großen Einfluss bei einer möglichen Krankheitsübertragung über die Atemwege. Eine bekannte Darstellung zu diesem Zusammenhang zeigt das Diagramm der Abbildung 2. Im optimalen Bereich von 40 bis 60 Prozent relativer Feuchte ist das Gefährdungspotential durch unerwünschte Mikroorganismen und Viren sowie das Auftreten spezifischer Krankheitssymptome minimal. Im Winterhalbjahr liegt die Raumluftfeuchte ohne zusätzliche Maßnahmen zumeist weit unter der empfohlenen Mindestluftfeuchte von 40 Prozent.

Allerdings spielt die Luftfeuchtigkeit in den bisherigen Normen für die Auslegung der Lüftungs- und Klimatechnik eher eine untergeordnete Rolle. Die DIN EN 16798-1 stellt in Abschnitt 6.5 und im Anhang B.3.3 Anforderungen an die Raumluftfeuchtigkeit, die sich im Wesentlichen aus den Ansprüchen der Behaglichkeit und der bauphysikalischen Randbedingungen ableiten. Eine gesundheitliche Bewertung oder eine mit Blick auf eine Krankheitsübertragung über die Atemwege erfolgt nicht.

Der FGK hat aus diesem Grund mit dem Statusreport 58 Anforderungen an die Lüftung und Luftreinigung zur Reduktion des Infektionsrisikos über den Luftweg definiert. Er empfiehlt, „Kategorie I“ der DIN EN 16798-1 anzuwenden. Demnach ist eine Raumluftfeuchtigkeit von mindestens 40 Prozent in Kombination mit den entsprechenden lüftungstechnischen Maßnahmen dazu geeignet, das Infektionsrisiko über die Atemwege zu verringern.

Akustische Kriterien

Nicht zuletzt gibt es noch einen wichtigen Punkt, der oft erst nach der Inbetriebnahme der Anlagentechnik ins Bewusstsein rückt: Das ist die Lärmemission der technischen Anlagen. Aktuelle Erfahrungen bei Raumüberprüfungen in Schulen mit mobilen Raumluftreinigern zeigen, dass bei zu hoher Lärmemission die Geräte in der Leistung stark reduziert oder kurzerhand abgeschaltet werden.

In diesem Zusammenhang ist allen Beteiligten noch mal klar geworden, dass für die akustischen Anforderungen die in ASR A3.7 vorgegebenen Werte einzuhalten sind. Der zulässige Schalldruckpegel beträgt zum Beispiel für Schulen 35 dB(A) an jeder Stelle des Raums. Dies ist ambitioniert und lässt sich von mobilen Geräten nur sehr schwer erfüllen. Aber auch die ins Gebäude integrierten Klima- und Lüftungsanlagen müssen hinsichtlich der hohen akustischen Anforderung für derartige Räume sorgfältig ausgewählt werden.

An dieser Stelle sei auf die Stolperfalle „Schalldruck/-leistung“ hingewiesen. Beide Größen werden in der Dezibel-Skala als normierte Pegel angegeben und daher schnell verwechselt. Der Schallleistungspegel kennzeichnet das Gerät und sollte sich dem Datenblatt entnehmen lassen. Der Schalldruckpegel hingegen entspricht dem von einer Person wahrgenommenen Geräusch.

Die Lautstärke eines Geräuschs ist, ausgehend von der Schallleistung des Gerätes, von vielen weiteren Parametern abhängig – unter anderem Raumgeometrie/-größe, Absorptionsmaterialien, Aufstellungsort und Entfernung. Hierzu hilft ein Fachplaner. Allgemeine Hinweise können auch der kürzlich veröffentlichten VDI-Expertenempfehlung VDI-EE 4300 Blatt 14 „Anforderungen an mobile Luftreiniger“ und demnächst dem in Überarbeitung befindlichen Leitfaden „Schullüftung“ des FGKs entnommen werden.

Das Institut für Luft- und Kältetechnik (ILK) Dresden hat sich ebenfalls der Thematik angenommen und entwickelt in einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Forschungsvorhaben nach akustischen Kriterien ein Regelungskonzept für Klimaanlagen [4]. Einen Auszug aus einer ersten Anlagensimulation zeigt Abbildung 3. Simuliert wurde der Verlauf der CO!SUB(2)SUB!-Konzentration in einem Klassenzimmer für drei unterschiedliche Regelstrategien mit einer hinsichtlich der Lärmemission marktüblichen Lüftungsanlage.

Strategie 1 folgt der gegenwärtigen Normung mit einem Außenluftvolumenstrom von 25 m3/h je Person. Damit wird eine CO!SUB(2)SUB!-Konzentration in der Raumluft von < 1.000 ppm sichergestellt, wobei allerdings mit der gewählten Lüftungsanlage die akustischen Anforderungen nicht eingehalten werden. In Strategie 2 wird die Anlage immer dann im Luftvolumenstrom reduziert, wenn der Geräuschpegel im Raum niedrig ist. So sind keine akustischen Störungen zu erwarten, allerdings steigt die CO!SUB(2)SUB!-Konzentration innerhalb der Unterrichtsstunde auf 1.500 ppm an.

In Strategie 3 wird die Anlage mit einem Maschinenlern-Algorithmus gesteuert. Sowohl die akustischen Beeinträchtigungen als auch die Luftqualität bleiben so in annehmbaren Bereichen. Der Algorithmus erkennt dabei Sprachmuster, wie Dialoge zwischen Lehrern und Schülern, bei denen keine akustische Störung durch die Anlagentechnik erfolgen soll. Hingegen sind bei Gruppenarbeiten durchaus deutlich höhere Geräuschpegel akzeptabel.

Im Ergebnis werden mit der intelligenten Steuerung akustische Beeinträchtigungen vermieden und die Raumluftqualität hinsichtlich der CO!SUB(2)SUB!-Konzentration unter einem kritischen Wert gehalten. Die Aussage gilt zunächst nur für die dargestellte Simulation. An der Übertragung der durch Künstliche Intelligenz gesteuerten Regelung auf allgemeine Anwendungen wird im Rahmen des Forschungsvorhabens „XXL-Push-Pull-Lüftungsgerät mit akustischer Regelung“ (Kennzeichen: 49MF210090) gearbeitet.

Vorteile kommunizieren

Der Einbau einer fachgerechten RLT-Anlage ist natürlich mit monetären Aspekten verbunden. Betrachtet man aber alle Vorteile, die durch den Einsatz einer solchen Anlage erreicht werden, so müssen diese Kosten in Angriff genommen werden. Das ist oft schwierig in der Argumentation, da sich Parameter wie Zufriedenheit und Gesundheit der Raumnutzer nicht ohne weiteres in Euro quantifizieren lassen. Umso wichtiger ist die nachdrückliche Aussage: Ohne Lüftung geht es nicht!

Dr. Ralph Krause Hauptbereichsleiter Luft- und Klimatechnik Institut für Luft- und Kältetechnik gemeinnützige Gesellschaft mbH 01309 Dresden

Literatur

[1] Entwicklung von Handlungsempfehlungen für praxisgerechte Lüftungskonzepte und eines CO!SUB(2)SUB!-Berechnungstools, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, 2020–2022.

[2] Planungsleitfaden zur maschinellen Luftführung in Klassenräumen, Universität Stuttgart Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik & Energiespeicherung, 2019–2021.

[3] ASHRAE, editor. ASHRAE Handbook – HVAC Systems and Equipment, 2016.

[4] XXL-Push-Pull-Lüftungsgerät mit akustischer Regelung 49MF210090, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2022.

Weiterführende Informationen: https://www.fgk.de/

Mittwoch, 04.01.2023