Nachhaltigkeit im Vergabeverfahren: Herausforderung und Chancen

Engagement lohnt sich

Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Umweltfreundlichkeit sind schon seit Jahren „in aller Munde“. Explizit der Begriff „Nachhaltigkeit“ begegnet einem mittlerweile täglich und überall. Und das ist gut so! Denn Nachhaltigkeit geht uns alle an. Wir alle müssen mit den vorhandenen Ressourcen schonend und sparsam umgehen, damit nicht nur wir, sondern auch unsere Kinder, Enkel und die zukünftigen Generationen gut leben können.

In Deutschland gibt es seit vielen Jahren eine Nachhaltigkeitsstrategie, an deren Umsetzung Bund, Länder und Kommunen arbeiten. Dabei kann die öffentliche Hand durch ihre erhebliche Marktmacht helfen, die Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung umzusetzen: Im Sinn einer nachhaltigen Beschaffung sollen Produkte und Leistungen eingekauft werden, deren kompletter Lebenszyklus von der Herstellung bis zur Entsorgung möglichst geringe negative Folgen für die globale Entwicklung in der Welt hat und bei deren Erbringung soziale Standards eingehalten werden.

Klare rechtliche Vorgaben

Sowohl das EU- als auch das nationale Vergaberecht enthalten genaue Regelungen, wie soziale, umweltbezogene und innovative Belange in der öffentlichen Beschaffung berücksichtigt werden können und müssen. Die zentrale Vorschrift hierfür ist Paragraf 97 Absatz 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB): „Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.“ Nachhaltigkeitsaspekte in Vergabeverfahren müssen mit der ausgeschriebenen Leistung in Verbindung stehen. Sie können von den Auftraggebern in die einzelnen Stufen und Bausteine des Vergabeprozesses – Leistungsbeschreibung, Eignungs- und Wertungskriterien sowie Auftragsausführungsbestimmungen – integriert werden.

Nachhaltigkeit in der Praxis

Egal, ob es um den Einkauf von Bürobedarf, Dienstleistungen oder den Bau von kommunalen Gebäuden geht, die Nachhaltigkeitsorientierung im Beschaffungsprozess der öffentlichen Verwaltung stellt für die meisten Bieter eine große Herausforderung dar. Wer den Auftrag erhalten will, muss sich einen Überblick über alle geforderten Kriterien verschaffen, diese erfüllen und im Angebot den Nachweis dafür erbringen. Oft werden Zertifikate, Kennzeichen, Label und Umweltsiegel gefordert, deren Beantragung Zeit und Geld kosten. Die Zeit für die Angebotserstellung ist jedoch meist knapp bemessen. Liegen die Gütesiegel bei Angebotsabgabe nicht vor, droht der Verfahrensausschluss.

Bei der öffentlichen Auftragsvergabe soll der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis erteilt werden (Paragraf 127 Absatz 1 GWB). Um hier langfristig punkten zu können, muss das Thema Nachhaltigkeit mit seiner ganzen Bandbreite in sämtliche Bereiche eines Unternehmens integriert werden: in die Prozesse, Produkte, Lieferketten und Standorte. Dazu braucht es eine Strategie mit Zielen und Maßnahmen. Die Umstellung auf so ein komplexes Konzept ist aufwendig, bringt aber Vorteile – nicht nur bei der Bewerbung um öffentliche Aufträge:

Verfahrensarten und -kriterien der Vergabe

Bei der öffentlichen Auftragsvergabe können die Auftraggeber zwischen verschiedenen Verfahrensarten wählen. In Abhängigkeit vom geschätzten Auftragswert müssen sie dabei die sogenannten EU-Schwellenwerte beachten, die zurzeit 5.382.000 Euro für Bauaufträge und 215.000 Euro für Liefer-/Dienstleistungen betragen.

Für wichtige Produktgruppen in der öffentlichen Beschaffung wurden Nachhaltigkeitskriterien erarbeitet, so zum Beispiel für Büromaterial, Papier, Reinigungsmittel, Fahrzeuge sowie für das Bauwesen und die Flächenbewirtschaftung.

Für Baumaßnahmen der öffentlichen Hand gibt es detaillierte Vorgaben zum Einhalten von Nachhaltigkeitsgesichtspunkten. Beim Errichten von Gebäuden und Außenanlagen sind die Kriterien gemäß dem „Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen“ und die Angaben im „Ökologischen Baustoffinformationssystem Wecobis“ einzuhalten. Zu den vielen Soll-Kriterien gehören geringe Lärm- und Schadstoffemissionen der Baumaschinen, Einsatz umweltverträglicher Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel oder recyclinggerechte Konstruktion von Maschinen und Geräten.

Auch Instandhaltung und Flächenbewirtschaftung werden zunehmend unter ökologischen Aspekten betrachtet. Dabei steht oft weniger die Beschaffung von Produkten und Gegenständen im Fokus, sondern vielmehr die Vergabe und Regelung von Dienstleistungen. Hier drehen sich die Auflagen und Forderungen dann vor allem um die Umweltfreundlichkeit der eingesetzten Produkte und Geräte. Ebenso spielen die Produktionsbedingungen zum Teil eine Rolle.

Konkrete Tipps

Zum Sichern der eigenen Wettbewerbsfähigkeit und einer erfolgreichen Teilnahme an öffentlichen Vergaben ist es für Unternehmen unabdingbar, nachhaltig zu werden – nicht nur wegen des Sorgfaltspflichtengesetzes. Geeignete Übersichten zu Nachhaltigkeitsanforderungen bieten die „Global Reporting Initiative (GRI)“, die ISO 26000 oder der „Deutsche Nachhaltigkeitskodex“. Auch das Umweltbundesamt veröffentlicht regelmäßig Leitfäden, die Kriterien verschiedener Produkte und Dienstleistungen beschreiben. Zudem gibt es den „Leitfaden Nachhaltiges Bauen“ vom Bundesbauministerium.

Prüfen Sie bei der Teilnahme an einer Ausschreibung alle Unterlagen hinsichtlich der jeweiligen Nachhaltigkeitsanforderungen. Sorgen Sie als Bieter dafür, dass Sie diese erfüllen oder zumindest Alternativen haben. Arbeiten Sie dabei möglichst mit staatlich anerkannten Gütezeichen und erfragen Sie vor Angebotsabgabe, welche Lebenszykluskostenrechner und Berechnungssystematiken verwendet werden. So lässt sich die Schwerpunktsetzung der Angebotswertung ermitteln!

Fazit

Das Einkaufsverhalten der öffentlichen Hand wendet sich in allen Bereichen verstärkt der Nachhaltigkeit zu. Durch das allgemein gesellschaftlich steigende Bewusstsein ist es zunehmend wichtig, dass alle Bauherren und Planer über gut dokumentierte Gebäude(komponenten) verfügen. Lieferanten und Dienstleister sind gut beraten, die eigenen Produkte und Leistungen auf ihre Nachhaltigkeit zu prüfen und zu schauen, unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden und was zu einer nachhaltigen Produktion beitragen kann. Nur so wird es in Zukunft gelingen, erfolgreich an öffentlichen Vergabeverfahren teilzunehmen.

Oxana Ponomareva, Online-Marketer Dr. Sabine Rittweger, Standortleiterin Vergabe24 GmbH 06108 Halle (Saale) Sabine.Rittweger@vergabe24.de Oxana.Ponomareva@vergabe24.de

Literatur Andreas Haak: „Rechtliche Grundlagen für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung“ https://www.vdz.org/vergabe-beschaffung/rechtliche-grundlagen-fuer-eine-nachhaltige-oeffentliche-beschaffung

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Nachhaltige, strategische Beschaffung. https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Wirtschaft/strategische-beschaffung.html

Die Bundesregierung: Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/eine-strategie-begleitet-uns/deutsche-nachhaltigkeitsstrategie

Grundsatzbeschluss 2022 zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975274/2146150/16d54e524cf79a6b8e690d2107226458/2022-11-30-dns-grundsatzbeschluss-data.pdf?download=1

Stefan Küst, Christian Schweizer: „Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung. Praktische Tipps für Bieterunternehmen“ https://content.vergabe24.de/whitepaper/fokus-nachhaltigkeit

Weiterführende Informationen: https://www.vergabe24.de/

Mittwoch, 07.06.2023