Luft als unser wichtigstes Lebensmittel erfährt nicht immer ausreichende Wertschätzung. Sind Gefahrstoffe im Spiel, können sogar Gesundheitsschäden die Folge sein. Eine strukturierte Vorgehensweise zur Reinhaltung der Luft am Arbeitsplatz ist daher notwendig.
Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen der Bereitstellung gesundheitlich zuträglicher Atemluft und dem Entfernen von Gefahrstoffen aus der Luft. Beides wird zwar unter dem Begriff „Reinhaltung der Luft“ gefasst, aber beide Ziele stellen völlig unterschiedliche Anforderungen an die Lüftung. Lüften ist also nicht gleich Lüften.
Gesundheitlich zuträgliche Atemluft muss es immer dort geben, wo Menschen sich aufhalten. Mit Gefahrstoffen belastete Luft sollte es nicht geben. Ist diese jedoch nicht zu vermeiden, sollte zumindest das belastete Luftvolumen so klein wie möglich sein. Lüftungsmaßnahmen zur Versorgung mit Atemluft, wie zum Beispiel das Öffnen von Fenstern, sind an jedem Arbeitsplatz notwendig, auch wenn sie häufig stiefmütterlich behandelt werden. Der Umgang mit Gefahrstoffen kann, aber muss nicht zwangsläufig, zu weiteren Lüftungsmaßnahmen führen.
Muss das sein?
Die erste und manchmal entscheidende Frage für die Reinhaltung der Luft im Umgang mit Gefahrstoffen lautet: „Muss ich diesen Gefahrstoff verwenden?“ oder „Muss ich diesen Fertigungsprozess einsetzen?“. Bisweilen gibt es andere Lösungen, bei denen keine Gefahrstoffe eingesetzt werden müssen oder keine im Prozess entstehen. In solchen Fällen könnte auf eine Lüftung ganz verzichtet werden.
Gut belüftet?
Im Umgang mit Gefahrstoffen heißt es häufig: „Nur im Freien oder in gut belüfteten Räumen verwenden“ oder „An einem gut belüfteten Ort aufbewahren“. Man liest auch: „Bei unzureichender Belüftung Atemschutz tragen“. Wann ist nun eine Belüftung gut oder wie muss sie ausgelegt werden, damit sie gut ist? Wie erkenne ich, ob meine Lüftung ausreichend ist?
Wer Gefahrstoffe erfolgreich und effizient weglüften möchte, muss zunächst die Quelle kennen: Gefahrstoffe können auf sehr unterschiedliche Arten freigesetzt werden. Ein Schweißprozess zum Beispiel hat punktuell langsam aufsteigende, heiße Rauche zur Folge. Beim Schleifen werden Partikel mit hoher Geschwindigkeit freigesetzt. Von lackierten Oberflächen dampft langsam und großflächig Lösemittel ab. Ein besonders starker, aufwärts gerichteter Thermikstrom bildet sich über Schmelzbädern aus.
Gefahrstoffe können zudem aus großen oder kleinen Partikeln bestehen oder auch gasförmig sein. Nur die genaue Kenntnis des Freisetzungsprozesses ermöglicht es, eine dazu passende Lüftung zu projektieren.
Erfassen, bevor sie sich ausbreiten
Beim Freisetzen von Gefahrstoffen sollte möglichst wenig Luft kontaminiert werden. Die Stoffe sollten daher möglichst nahe an ihrer Freisetzungsstelle erfasst werden. Dies ist die wichtigste Funktion einer Absauganlage. Bei unzureichender Erfassung verbleiben oft nicht akzeptable Mengen an Gefahrstoffen in der Atemluft der Beschäftigten. In der Folge wird die gesamte Raumluft belastet.
Eine zusätzliche Belüftung des gesamten Raums wird notwendig, wobei große Luftmassen bewegt, gereinigt und oft auch erwärmt oder gekühlt werden müssen. Dies ist oft mit hohen Investitions- und Betriebskosten verbunden. Ziele einer guten Erfassung sind darum, neben dem Schutz der Beschäftigten, also das Einhalten der Arbeitsplatzgrenzwerte als auch die Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz.
Wohin mit den Gefahrstoffen?
Einmal erfasst, sind die Gefahrstoffe aus dem Atembereich der Beschäftigten entfernt. Entsorgt sind sie damit jedoch nicht. Umweltschutzaspekte müssen bedacht werden, wenn die Luft nach draußen geführt werden soll.
Was erlaubt ist, regelt das Bundesimmissionsschutzgesetz. Oft besteht der Wunsch, die Luft aus energetischen Gründen in den Arbeitsbereich zurückzuführen. Hierfür muss sie ausreichend gereinigt sein. Sind in der abgesaugten Luft krebserzeugende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende Stoffe enthalten, ist die Luftrückführung nicht oder nur mit besonderen Auflagen erlaubt.
Auf den richtigen Abscheider kommt es an
Zur Reinigung der Luft werden Abscheider eingesetzt. Umgangssprachlich werden sie als Filter bezeichnet. Es gibt viele verschiedene Typen von Abscheidern. Für die richtige Auswahl müssen die Eigenschaften der Stoffe bekannt sein, die abgeschieden werden sollen. In den vergangenen Jahren sind wegen der Luftreinhaltung während der Corona-Pandemie zum Beispiel die sogenannten „HEPA“ Filter („High Efficiency Particulate Air“) einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Diese Filter scheiden partikelförmige Gefahrstoffe hervorragend ab. Bei gasförmigen Gefahrstoffen sind sie jedoch wirkungslos. Einige Gase können mit Wasser aus der Luft gewaschen werden, für andere Gase kann Aktivkohle sehr wirksam sein.
Fazit
Das Absaugen von Gefahrstoffen und das Lüften eines Raums unterscheiden sich deutlich. Eine genaue Kenntnis des Freisetzungsprozesses ermöglicht die Projektierung einer effizienten Absaugung. Das Erfassen der jeweiligen Gefahrstoffe ist die notwendige Randbedingung für effektiven Schutz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Auswahl der richtigen Abscheider setzt detaillierte Kenntnisse über die abzuscheidenden Stoffe voraus. Werden alle diese Faktoren berücksichtigt, steht einer effizienten und ausreichenden Belüftung nichts mehr im Wege.
Rolf Woyzella
Fachreferent für Arbeitsplatzlüftung und Raumlüftung, Aufsichtsperson
Berufsgenossenschaft Holz und Metall
55124 Mainz