Fassadensanierung mit integriertem, raumweisem Lüftungssystem

Forschungsprojekt und konkrete Umsetzung bei einem Mehrfamilienhaus

Zentral bei der Transformation des deutschen Energiesystems bis zum Jahr 2030 ist, ...

... die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Dafür muss unter anderem der Wohngebäudebestand energetisch ertüchtigt werden. Der Beitrag zeigt eine Sanierung mit einem im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelten neuen Lüftungssystem, bei dem sowohl die Luftleitungen als auch die Lüftungsgeräte in einem Wärmedämmverbundsystem eingebettet sind.

Abgesehen von einer Neuausrichtung des Gebäudebestands bei der Energiebereitstellung ist für das genannte Ziel auch eine Steigerung der Gebäudeenergieeffizienz notwendig. Diese lässt sich primär dadurch erreichen, dass Transmissionswärme- und Lüftungswärmeverluste durch Abdichtung sowie thermische Isolierung der Gebäudehülle reduziert werden. Damit hierbei der allgemeine Luftwechsel nicht beeinträchtigt wird, ist eine kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung unumgänglich.

Im Rahmen eines Forschungsprojekts [1] hat das Fraunhofer ISE gemeinsam mit der "Beck+Heun" GmbH und der Westaflexwerk GmbH ein innovatives Lüftungssystem entwickelt, bei dem die Luftleitungen sowie die Lüftungsgeräte im Wärmedämmverbundsystem (WDVS) eingebaut sind. Die Lüftungsöffnungen in die Wohnungen wurden in die Fensterlaibung integriert. Die praktische Realisierung des Systems erfolgte in einem bestehenden Mehrfamilienhaus aus dem Baujahr 1963 [2], siehe Abbildung 1.

Im Sinne der Nachhaltigkeit eines solchen Systems sollte bezüglich des WDVS darauf geachtet werden, dass recycelbare Baustoffe und lösbare Befestigungsmethoden zur Verwendung kommen. Die Lüftungsgeräte selbst wurden aus ineinandergesteckten Modulen mit Nut- und Federverbindungen aufgebaut.

Planung, Umsetzung, Herausforderungen

Für Planung und Auslegung des Lüftungssystems nach DIN 1946-6 [3] für die fünf 2- und 3-Zimmer-Wohnungen wurden drei Ansätze verfolgt: ein raumweiser dezentraler, ein etagenweise zentralisierter und ein zentraler für das gesamte Gebäude. Letztlich fiel die Entscheidung – mit dem Ziel, ein möglichst simples, günstiges und funktionales mechanisches Lüftungssystem anzufertigen – auf den raumweisen dezentralen Ansatz mit einem Gerät pro Raum.

Das Ansteuern wurde als Einzelraumsteuerung ausgelegt und hatte für die Inbetriebnahme- und Monitoringphase eine mit den Nutzern abgestimmte Erweiterung (zentrale Datenerfassung, Betriebsauswertung).

Die Lüftungsgeräte arbeiten alternierend mit einem Wechsel zwischen einer Zu- und Abluftphase. Anders als bei marktverfügbaren Pendellüftern wurde hierfür eine flache Bauform für die Fassadenintegration sowie ein Umschaltbetrieb zwischen zwei Radialventilatoren je Lüftungsgerät realisiert. Durch die Fassadenleitungen im WDVS (Abbildung 2) konnten die dezentralen Lüftungsgeräte im Sockelbereich des Mehrfamilienhauses implementiert werden.

Das Gerätedesign mit Radiallüftern macht sie weniger windanfällig und es können effizientere Filter genutzt werden. Außerdem ermöglicht der Installationsort eine nutzerunabhängige Wartung.

Die größten Herausforderungen für dieses Konzept waren einerseits die Akzeptanz eines mechanischen Lüftungssystems durch die Nutzer im Allgemeinen sowie die charakteristischen Geräusche desselben. Durch weitere Geräteverbesserungen konnte das Geräuschniveau des Systemtyps noch weiter reduziert werden. Nach der Test- und Monitoringphase wurden die unterschiedlichen getesteten Steuerungskonzepte auf eine robuste raumweise Steuerung zum Feuchteschutz reduziert und an die Nutzer übergeben.

Fazit

Anhand eines Prototypensystems zeigt das Projekt, dass einige wesentliche Herausforderungen dezentraler Wohnungslüftungsgeräte durch konstruktive Änderungen adressiert werden können. So ergibt sich einerseits durch die im Sockelbereich angeordneten Geräte mit Radialventilatoren eine potentiell geringere Differenzdruckanfälligkeit sowie ein geringerer Wartungsaufwand. Auch können durch das Verwenden von Radialventilatoren mit einem Strömungselement für die Trennung der Zu- und Abluftrichtung die charakteristischen Betriebsgeräusche reduziert werden.

Die Nutzerzufriedenheit steigt durch die raumweise Steuerung. Des Weiteren lässt sich quantitativ aus den Heizkostenabrechnungen über den Verlauf der Sanierung des Gebäudes bei sichergestelltem Mindestluftwechsel mit mechanischer Lüftung und Wärmerückgewinnung eine deutliche Verbesserung ableiten. So ließ sich, wie in Abbildung 3 dargestellt, der flächenbezogene, jährliche Energieverbrauch [4] von 222 kWh/(m2a) um mehr als 2⁄3 auf 71 kWh/(m2a) reduzieren.

[Dr.-Ing. Sven Auerswald, Dr.-Ing. Thibault Pflug, Dipl.-Ing. Arnulf Dinkel / Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE /79110 Freiburg /sven.auerswald@ise.fraunhofer.de]

Literatur

[1] Dinkel, Arnulf; Pflug, Thibault; Carbonare, Nicolas; Ziemer, Sebastian; Krüger, Michael; Gliem, Stefanie et al. (2022), FIHLS Fassaden integrierte Heizung + Kühlung, Lüftung und Sanitär: Schlussbericht: Projektlaufzeit: 01.07.2016 – 30.10.2021. Unter Mitarbeit von TIB – Technische Informationsbibliothek Universitätsbibliothek Hannover, Technische Informationsbibliothek (TIB), Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, Beck & Heun GmbH, Westaflexwerk und Kermi GmbH. Freiburg: [Fraunhofer ISE]: 2022, DOI: 10.2314/KXP:1852324767.

[2] Demonstration von fassadenintegrierter Heizung, Kühlung & Lüftung und Kessel-Wärmepumpen-Hybridanlage in Adorf, https://lowex-bestand.de/index.php/wohnungsgesellschaft-adorf/?lang=de (letzter Zugriff: 12.12.23).

[3] DIN 1946-6:2019-12, Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen an die Auslegung, Ausführung, Inbetriebnahme und Übergabe sowie Instandhaltung. DOI: 10.31030/3113944.

[4] Im Sinne der allgemeinen Verständlichkeit wird an dieser Stelle der in der Gebäudetechnik etablierte Begriff gegenüber dem physikalisch korrekten Begriff „Energieumsatz“ bevorzugt.

Weiterführende Informationen: https://www.ise.fraunhofer.de/

Mittwoch, 24.07.2024