Die Vermessung der Umweltauswirkung

Ökobilanzdaten zeigen Nachhaltigkeit eines Produkts

Spätestens seit dem Kyoto-Protokoll (1997) und dem Pariser Klimaabkommen (2015) sind „Klimaschutz“ und damit einhergehend ...

... „Nachhaltigkeit“ allgemein geläufige Begriffe. Privatpersonen, Unternehmen und Regierungen überdenken immer kritischer ihren Energieverbrauch und ihren Umgang mit materiellen Ressourcen. Wie lässt sich also ein Produkt diesbezüglich transparent darstellen?

Die geschilderte Entwicklung macht vor Gebäuden nicht halt. 2019 verursachten sie immerhin etwa 34 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland [1]. Der Bausektor ist verantwortlich für 90 Prozent des inländischen mineralischen Rohstoffabbaus und 53 Prozent des Abfalls [2]. Dementsprechend groß ist der Einfluss hin zu einer energieeffizienteren und nachhaltigeren Branche.

Hier setzt die jüngste Gesetzgebung der EU an. Über die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) soll die Renovierungsquote steigen und der Gebäudebestand modernisiert und dekarbonisiert werden [3]. So sind unter anderem ab 2027 Ökobilanzdaten für Gebäude gefordert. Weiterhin werden aktuell auch die Ökodesignrichtlinie und anschließend die dazugehörigen Durchführungsmaßnahmen um Anforderungen erweitert, die den Lebenszyklus betreffen: Hersteller sollen zukünftig Daten über die Umweltauswirkung eines Produkts in digitalen Produktpässen zur Verfügung stellen. Und indirekt spielt auch die EU-Taxonomie eine treibende Rolle, die Wirtschaftsakteure hin zu nachhaltigen Aktivitäten leiten soll.

Mögliche Einstufungen

Bereits am Markt etabliert sind private Gebäudenachhaltigkeitszertifikate auf freiwilliger Basis. Über diese kann ein Bauherr oder Investor interessierten Gebäudenutzern oder potentiellen Mietern nachweisen, dass eine Immobilie nachhaltig geplant und errichtet wurde. Führend in Deutschland ist das System der „Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen“ (DGNB) mit Zertifikaten von Bronze bis Platin – je nach Erfüllen des Anforderungskatalogs. Darüber hinaus gibt es in staatlichem Auftrag das „Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude“ (QNG), welches unter anderem für das Einstufen eines Gebäudes nach der Neubauförderung „Effizienzhaus 40“ benötigt wird. International weit verbreitet sind vor allem die Zertifikate „BREEAM“ und „LEED“. Allen gemeinsam ist, den Einfluss eines Bauwerks auf die Umwelt bereits in der Planungsphase zu berechnen.

Um die Ökobilanz eines Gebäudes bewerten zu können, müssen Umweltdaten zu den verplanten Produkten vorliegen. Die am weitesten verbreitete Möglichkeit zum Messen des Umwelteinflusses von Produkten sind die „Environmental Product Declarations“ (EPD, Umweltproduktdeklarationen). Sie betrachten den gesamten Lebenszyklus eines Produkts, von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung, Montage und Nutzung bis zum Recycling. Die internationalen Normen ISO 14025 und EN 15804 sichern eine einheitliche, also herstellerübergreifende und vergleichbare Systematik zum Erstellen von EPDs.

Praxisbeispiel technische Gebäudeausrüstung

Als Spezialist für dezentrale Klimageräte wollte die Firma Kampmann früh in der Lage sein, Kundenfragen nach Ökobilanzdaten zu beantworten. Dabei wurden zuerst die Produkte identifiziert, die für nachhaltigkeitsbewusste Kundengruppen besonders interessant sind. So wurde der Umwelteinfluss von Unterflurkonvektoren aufgrund wiederholter Anfragen aus Großbritannien als erstes anhand von EPDs dargestellt. Zudem ist Kampmann ein etablierter Hersteller in Hotelbauten, weshalb auch für die beliebte Produktfamilie der „Fan Coils“ EPDs vorhanden sind.

Beim Erstellen einer EPD durchläuft der Hersteller einen mehrstufigen Prozess. Zuerst wird die passende Produktkategorie und die sogenannte „Product Category Rule“ (PCR, Produktkategorie-Regel) ausgewählt. Sie beeinflusst, welches Set an Daten die spätere EPD enthält. Diese Daten erhebt der Hersteller im zweiten Schritt.

Hierbei wird zunächst die Stückliste des Produkts analysiert und ermittelt, aus welchen Materialien es sich zusammensetzt. Für eingekaufte Komponenten, die in das Endprodukt eingebaut werden, sind diese Informationen in der Regel beim Lieferanten anzufragen. Um festzustellen, welche Umweltauswirkungen das Produkt während der Herstellungsphase verursacht, sind zudem der Energieverbrauch der verwendeten Maschinen sowie der im Produktionsprozess entstehende Abfall zu erfassen. Im Rahmen der Datenerhebung sind auch alle Transporte während der Produktlebensdauer festzuhalten. Dies bedeutet, dass die Entfernungen und Transportarten zum Anliefern der Rohstoffe und Komponenten, die innerbetrieblichen Transportwege und der Transport zum Kunden ermittelt werden müssen.

Um den Lebenszyklus der Produkte ganzheitlich zu betrachten, wird in die EPDs der Firma Kampmann auch die Nutzungsphase einbezogen. Da die Nutzung von Produkten zum Heizen und Klimatisieren von Gebäuden je nach Einsatzgebiet und Anwendungsfall variiert, ist zum Bilanzieren der Nutzungsphase ein Standard-Nutzungsszenario zu definieren. Für dieses werden die erforderlichen Wartungen, Reparaturen, der Ersatz von Komponenten sowie der Energieverbrauch während des Betriebs für die gesamte Lebensdauer des Produkts prognostiziert. Im Anschluss an das Erheben der Daten wird für das betrachtete Produkt eine Lebenszyklusanalyse erstellt, in der die erhobenen Daten in konkrete Umweltauswirkungen, wie das „Global Warming Potential“ (GWP, Treibhausgaspotential), überführt werden.

Das Erstellen der Lebenszyklusanalyse und der EPD im vordefinierten Berichtsformat kann durch den Hersteller selbst oder durch einen externen Ökobilanzierer erfolgen. Um die Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit und Logik der EPD-Daten zu prüfen, werden EPDs vor dem Veröffentlichen von einem unabhängigen Ökobilanzierer verifiziert. Erst dann erfolgt die Veröffentlichung auf einer Plattform eines EPD-Programmbetreibers, wie zum Beispiel der „EPD International AB“ oder dem Institut Bauen und Umwelt e.V..

EPDs aktuell alternativlos

Was bedeutet das nun für die technische Gebäudeausrüstung? Momentan findet ein Wandel von der reinen Energieeffizienzbetrachtung, die die letzten 15 Jahre maßgeblich von der Ökodesignrichtlinie getrieben wurde, hin zum Berücksichtigen der Umwelteinflüsse eines Produkts über dessen kompletten Lebenszyklus statt. Bauherren werden diese Informationen von den Komponentenherstellern zunehmend einfordern. Denn das Erstellen einer Gebäudeökobilanz wird massiv erleichtert, wenn immer mehr normierte Dokumente der verplanten Produkte verfügbar sind. Für die Hersteller bedeutet das schon heute, dass Umweltdaten für ihre Projekte genauso zum Standard gehören wie eine Bedienungsanleitung oder eine Konformitätserklärung. Zu diesem Zweck sind EPDs aktuell alternativlos.

Weiterhin können EPDs den Herstellern aufzeigen, an welchen Stellen das eigene Produkt noch Optimierungspotential bietet. Aktuell ist zwar noch nicht zu beobachten, dass EPD-Daten miteinander verglichen werden und nachhaltigere Produkte einen Vorzug bekommen, aber wenn mittelfristig Anforderungen – zum Beispiel hinsichtlich eines maximalen CO!SUB(2)SUB!-Budgets für ein Gebäude – aufkommen, wird dies auch direkte Auswirkungen auf Produkte der technischen Gebäudeausrüstung haben. Dann wird der CO!SUB(2)SUB!-Fußabdruck eines Produkts in absehbarer Zukunft zum kaufentscheidenden Vergleichskriterium.

[Marcel Rakers, Imke Klompmaker / Product Compliance Manager / KAMPMANN GmbH & Co. KG / 49811 Lingen (Ems) / info@kampmann.de]

Literatur

[1] Energieeffizienz in Zahlen, BMWI, 2021, S. 58. - [2] Ressourcen im Bauwesen (www.gebaeudeforum.de/wissen/ressourcen-und-emissionen/ressourcen-im-bauwesen) - [3] Die EU-Gebäuderichtlinie EPBD: Ein Überblick (www.gebaeudeforum.de/ordnungsrecht/energieeinsparrecht/epbd)

Weiterführende Informationen: https://www.kampmann.de/kampmann-heute/technik-und-wissen/epd

Mittwoch, 05.06.2024